Evangelische Trauungen im romantischen Venedig

Deutsche Kirche schmücken Gemälde von Tizian und Cranach 

Trauungen in Venedig? Kein Problem für deutschsprachige Evangelische. In der deutschen Kirche am Campo SS Apostoli Nummer 4448 gibt es sogar einen Saal für die anschließende Hochzeitsfeier. Alte Grabsteine schmücken die Wände dieses gemütlichen Raums mit der Freitreppe. Die Platten stammen vom 1895 aufgelösten evangelischen Friedhof S. Cristoforo. Heute werden die Evangelischen in einer besonderen Abteilung auf Venedigs Friedhofsinsel San Michele bestattet.  

Der Kirchraum liegt im ersten Stock. Und warum der nur zu Gottesdiensten geöffnet wird, ist den Besuchern sofort klar: neben Sebastian Riccis um 1730 gemalten „Rettung oder Verdammnis“ hängt der „segnende Erlöser“ von Tizian. Und Lukas Cranachs Lutherbild (um 1540) ist der Stolz der lebendigen Gemeinde. 

Die deutschsprachigen Lutheraner blicken in Venedig auf eine lange Tradition zurück. Luthers Lehre fand im Veneto sofort Anhänger. Allerdings erlaubte die Inquisition den deutschen Kaufleuten nur, ihre Religion innerhalb ihres Handelshauses, der Fondaco Tedeschi am Canal Grande, auszuüben. Nach der napoleonischen „Befreiung“ wurde es besser. Einem Kaufmann aus Kaufbeuren ist es zu verdanken, dass die deutsche Gemeinde ihr heutiges Domizil bekam. Er kaufte 1813 die „Schule zum Heiligen Schutzengel“ einer erloschenen Bruderschaft. Diese „Scuola“ hat der Baumeister Tirali entworfen, ebenso wie die gegenüberliegende katholische Kirche mit ihrem hohen Campanile. Der Schutzengel wacht noch immer über dem Haupteingangstor. Viele Jahre musste diese Tür zum Platz hin jedoch verschlossen bleiben. Denn das Toleranzedikt von 1781 erlaubte nur den Nebeneingang – bis zur Gründung des Königsreichs Italien im Jahre 1866. 

Venedig war schon immer etwas besonderes. Kaiser Wilhelm II. stiftete 1896 der deutschen Gemeinde die kleine Orgel, an der noch heute sein Wappen zu sehen ist. Die Chronik berichtet, dass auch während der Nazizeit in der deutschen Kirche Gottesdienste stattfanden und der jüdische Stadtbaumeister 1938 die Kirche gründlich renovieren ließ. Zum 135. Jahrestag konnte nach dem zweiten Weltkrieg 1948 wieder deutsch gepredigt werden. Die Gemeinde war geschrumpft. Die Niederländer, Dänen, Österreicher und Schweizer kamen nicht mehr. Einige deutsche Gemeindeglieder versuchten, sich in Venedig eine neue Existenz aufzubauen, und dann kamen vor allem die Frauen, die mit Italienern verheiratet waren. 

„Diese Frauen bilden auch heute noch das Rückgrat der deutschen Gemeinde“, erzählt die derzeitige Gemeindepräsidentin Lore Sarpellon. Vor 36 Jahren heiratete die Stuttgarterin nach Venedig. Zwar musste sie ihr Kind noch katholisch taufen lassen, doch ihr Schwiegervater habe sie auf die evangelische Kirche aufmerksam gemacht. „Venezianer waren schon immer aufgeschlossener und toleranter als ihre Landsleute aus Sizilien.“ Die Pastorentochter und jetzige Küsterin Dorothea Klammer-Pitteri setzte sogar durch, dass trotz ihrer katholischen Trauung die Tochter in Venedig evangelisch getauft werden durfte. Diese hätte das selbst aber gar nicht so toll gefunden, denn sie fühlte sich isoliert. Ihre Schulfreundinnen gingen nämlich mit den katholischen Pfadfindernauf Tour. 

Ökumene ist in Venedig längst kein Tabu-Thema mehr. Zu ökumenischen Andachten kam sogar schon der Patriarch von Venedig in die evangelische Kirche. Und bereits 1981 predigten der lutherische und der anglikanische Pastor in der Basilika von San Marco. Als Besonderheit aber gilt immer noch, dass die deutsche evangelische Kirche seit 20 Jahren einmal im Monat zum christlich-jüdischen Gespräch offen steht. Da sprechen Referenten zum Beispiel über die jüdische Auslegung der Thora und über das Alte Testament aus protestantischer Sicht. Auch ein Moslem gehört inzwischen zu dem Kreis und bringt seine Sichtweise mit ein.  

Bis vor drei Jahren wurden die rund 50 Mitglieder in Venedig von der Gemeinde Florenz aus betreut. Der deutsche Pfarrer musste ständig pendeln. In der Sakristei wurde ihm ein Schrankbett zum Übernachten eingebaut. Doch mit Pastorin Almut Kramm kam es dann zu einer Neuordnung. Da zahlreiche Deutsche im nahen Abano Terme kuren, ist jetzt die Gemeinde Venedig mit der Kurseelsorge verbunden. Im Winter finden nun an jedem Sonntag Vormittag um 10.30 Uhr Gottesdienst in Venedig statt – in den anderen Jahreszeiten am Spätnachmittag. Denn ab März wird in der St. Josephs-Kapelle in Abano wieder zum deutschsprachigen evangelischen Gottesdienst eingeladen. 

Die neue Gemeindesatzung fördert die begrenzte Mitgliedschaft für Getaufte anderer Konfessionen. Einnahmen hat die Gemeinde neben Firmenspendenund einem Freundeskreis unter anderem auch durch die Vermietung der Räume an eine Gospelgruppe sowie für Feiern. Trauungen - und später dann Taufen – von Brautpaaren aus Deutschland, die Venedig als romantische Flitterwochen-Kulisse wählen, sind hier gar nicht so selten. 

Ilsemarie Straub-Klein  

Info: über Gemeindepräsidentin der Chiesa Evangelica Luterana, Lore Sarpellon, Telefon 0039-041-5206013, email: info@dszv.it

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