Paulus erhielt einst auf Zypern 39 Peitschenhiebe für seine erste Predigt

Auf der drittgrößten Mittelmeerinsel leben auch deutschsprachige Evangelische  

Dem Apostel Paulus wurde im Jahre 46 im zypriotischen Paphos kein würdiger Empfang bereitet. Der Überlieferung nach soll er auf der damals zu Ägypten gehörigen drittgrößten Mittelmeerinsel nach seiner ersten Predigt an eine Säule gebunden und mit 39 Hieben ausgepeitscht worden sein. Später hatte Paulus dann mehr Erfolg. Als Zypern römische Provinz geworden war, bekehrte er den Stadthalter Sergius Paulus zum Christentum. Die sogenannte Paulussäule gibt es heute noch. Sie befindet sich auf dem Gelände einer frühchristlichen Basilika neben der orthodoxen Kreuzkuppelkirche Agia Chrysopolitissa. In dieser Kirche halten jetzt die Geistlichen der deutschsprachigen katholischen und evangelischen Kirchengemeinden an jedem zweiten Sonntag im Monat einen ökumenischen Wortgottesdienst ab, in dem vom gleichen Altar aus das Abendmahl ausgeteilt wird. 

Eine evangelische Kirchengemeinde deutscher Sprache gibt es auf Zypern erst seit 1996. Nachdem bisher der jeweilige Pastor seinen Hauptwohnsitz in der Hauptstadt Nikosia (jetzt überwiegend griechisch Lefkosia genannt) hatte, befindet sich seit Dezember des vergangenen  Jahres der Gemeindeschwerpunkt in Yermasoyia, einem Ortsteil von Limassol.(Lemesos) Seit dieser Zeit betreut der badische Ruheständler Dieter Hemminger die rund 70 eingetragenen Christen aus deutschsprachigen Ländern. Die zahlenmäßíg größte Gruppe im griechischen Teil der Insel sind ältere, mit Zyprioten verheiratete oder verwitwete Frauen. Sechs von ihnen arbeiten  mit dem Gemeindepastor im siebenköpfigen Gemeindevorstand mit. Aber es leben in Limassol auch einige junge Familien, deren Väter auf der Küste vorlagerten Bohrtürmen und Inseln arbeiten. In der geteilten Hauptstadt – übrigens nach dem Mauerfall von Berlin noch die einzige der Welt – stehen darüber hinaus einige Botschaftsangehörige mit ihren Familien der Gemeinde nahe.   

Als im vergangenen Jahr im Rahmen einer Ausschreibung ein „Pfarrer im Ruhestand“ (möglichst Ehepaar) gesucht wurde, der „die Gemeinde beim Aufbau mit guten Ideen, vielen Impulsen und Einfühlungsvermögen unterstützt“, fühlten sich Hemmingers angesprochen.

Pastor Hemminger (61) hatte sich von seiner Heimatkirche in Pension schicken lassen, um jungen Kollegen einen Arbeitsplatz zu gönnen. Doch als rüstiger Rentner wollte er noch einmal eine neue Herausforderung auf sich nehmen. Da kam dem vierfachen Vater und sechsfachen Großvater die Stelle eines Gemeindepfarrers auf Zypern gerade recht. Bei seinem Einführungsgottesdienst erlebte er gleich Ökumene. Es kamen je ein Bischof der Orthodoxen, Anglikaner und Maroniten sowie Vertreter der armenischen Kirche und der evangelischen Kirche der Prophetie. 

Kasualien hatte Hemminger bisher noch nicht zu erledigen. Im kommenden Frühjahr will er die ersten Konfirmationen anbieten. Wie er erfuhr, würde es bei Beerdigungen allerdings Probleme geben. Etwa 95 Prozent der Friedhöfe auf Zypern seien orthodoxe Kirchhöfe, die nicht durch Andersgläubige „entweiht“ werden dürften. So müßten die Angehörigen eines Nichtorthodoxen immer lange suchen, bis sie ein teueres Grab auf einem katholischen oder anglikanischen Friedhof gefunden hätten. Doch dieser Mißstand solle nach seinen Erkundigungen bald behoben werden, weil in allen größeren Städten die Einrichtung von kommunalen Friedhöfen geplant sei. 

Hemmingers 52jährige aus Finnland stammende Frau Anneli ließ sich für drei Jahre als Sozialarbeiterin beurlauben. Auf Zypern hat sie den Kontakt zur finnischen lutherischen Gemeinde hergestellt und bietet deutschsprachigen Kindern parallel zum Hauptgottesdienst ein Extra-Programm. Wie viele andere in der Gemeinde bringen sich auch Dieter und Anneli Hemminger ehrenamtlich nach Kräften ein. Er sei grundsätzlich jederzeit zu sprechen, betont der Geistliche. Neben den Mitgliedsbeiträgen der Gemeindeglieder wird die Gemeinde von einem Freundeskreis in Deutschland unterstützt. So hat zum Beispiel die hessische Gemeinde Wahlsburg die Hälfte des Erlöses ihres Gemeindebasars an die deutsche Gemeinde auf Zypern überwiesen. Da die Gemeinde jedoch noch nicht offiziell anerkannt wird, können alle Spenden bisher noch nicht steuerlich abgesetzt werden, bedauert die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Gisela Gregoriades-Kirschke. 

Wie in Diasporagemeinden üblich, schließen sich die Gemeindeglieder eng zusammen und stellen viele Aktivitäten selbst auf die Beine. So gibt es in der deutschen Gemeinde in Nikosia einen Singkreis, einen Literaturzirkel, einen Frauengesprächskreis und einen Kirchenstammtisch. Zu einer festen Einrichtung in Limassol gehören ein Musikgarten für Zwei- bis Vierjährige sowie eine Kinderspielgruppe für Fünf- bis Achtjährige mit Anneli Hemminger. In Paphos gibt es monatliche Gottesdienste nach Taizé-Art. Auch im Touristenort Agia Napa wird im Sommer deutschsprachiger Gottesdienst angeboten. Neu eingeführt hat Dieter Hemminger Abendgebete in Limassol am Meer, zu denen er besonders deutsche Touristen einlädt, für die es schlecht möglich ist, zu den Sonntagsgottesdiensten ins vier Kilometer landeinwärts gelegene Gemeindehaus zu kommen, zumal es sonntags keine Busverbindung nach dort gibt. 

Allerdings erfahren Urlauber nur durch Zufall, dass es auf Zypern überhaupt eine deutschsprachige Gemeinde gibt. Seit kurzem ist zwar die Internetseite der EKD wieder auf dem neuesten Stand. Reiseleiter und Hotelmanager vor Ort können hingegen fast nie  Hinweise auf Gottesdienste geben. Auch am Fremdenverkehrsbüro hängt keine Notiz. Auf Nachfragen erfährt man dagegen von der Existenz einer anglikanischen Gemeinde, die an jedem Sonntag in die St. Barnabaskirche im Zentrum von Limassol bereits seit hundert Jahren  zu Gottesdiensten in englischer Sprache einlädt. Wir erlebten einen lebendig gestalteten, überaus gut besuchten Gottesdienst mit Protestanten aus Zypern, Palästina, arabischen Ländern, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Dänemark, den USA, Australien, Südafrika, Tansania, dem Philippinen, Sri Lanka, Südindien und Malaysia. Die meisten von ihnen sind Rentner, die zumindest im Winter auf Zypern leben. Englischsprachige Gottesdienste werden auch in Nikosia, Paphos, Larnaca, in Agia Napa sowie im türkisch besetzten Teil in der anglikanischen Kirche in Kyrenia (Girne) gehalten. 

Wer nur einen Strandurlaub auf Zypern verleben möchte – wozu die abwechslungsreiche „Insel der Aphrodite“ viel zu schade ist – wird nicht mit der Politik konfrontiert. Nach der Teilung Zyperns im Jahre 1974 hat Südzypern mit der griechischsprechenden Bevölkerung eine enorme Touristik-Infrastruktur aufgebaut. Doch schon bei der ersten organisierten Rundfahrt mit dem Bus kommen die Reiseführer auch auf den jetzt türkischen Teil der Insel zu sprechen. Sie selbst können dabei allerdings nur auf ihr einstudiertes Wissen und das Informationsmaterial der Regierung zurückgreifen. Selbst dürfen die griechischen Zyprioten die 136 Kilometer lange Grenze nicht überschreiten. Touristen bekommen nur an einem einzigen Grenzübergang in Nikosia ein Tagesvisum und müssen bis 17 Uhr zurück sein, sonst haben sie den Wiedereintritt verwirkt. Nur wenige machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, und so bleibt ihr Wissen um die politischen Verwirrungen des potentiellen EU-Beitrittskandidaten nur einseitig.  

Beim Besuch der Grenze am Ledrahotel in Nikosia wird man von Frauen in Gespräche verwickelt, die ihre seit 1974 vermißten Angehörigen suchen und Fotos von damals zeigen. Die Organisation hofft, dass nach vielen internationalen Interventionen der Regierungschef der nur von der Türkei anerkannten türkischen Republik Zypern nun in den kommenden Wochen endlich die Listen über den Verbleib der Vermißten herausgibt. Die Frauen im griechischen Nikosia zeigen Fremden auch immer wieder mit Tränen in den Augen ihre verlassenen Häuser im anderen Teil der geteilten Hauptstadt durch ein Loch in der Mauer: ein erschütternder Anblick. Auch vom elften Stock des Woolworthgebäudes kann man mittels Fernrohr die beiden getrennten Teile der Stadt betrachten. 

Zypern ist schon immer ein Zankapfel der Mächte gewesen, und die Bevölkerung mußte sich öfter neuen Herren unterordnen. Zu Zeiten der Phönizier gab es die Kleinkriege mit den Ägyptern, Persern und Assyrern. Später kamen dann die Römer, die Engländer, die Franken, die Kreuzritter und die Venezianer. Drei Jahre herrschten die Türken auf Zypern, bis 1878 der osmanische Sultan Zypern an England verpachtete. Nach dem ersten Weltkrieg wurde Zypern dann englische Kronkolonie, bis es 1960 die Unabhängigkeit bekam. Doch Frieden herrschte danach nicht. Die griechischen und zypriotischen Türken bekämpften einander, so dass UN-Friedenstruppen auf die drittgrößte Mittelmeerinsel entsandt wurden. Die Altstadt von Nikosia wurde bereits 1964 geteilt. 

Nach einem Putsch wurde die Insel dann 1974 von den Türken besetzt und geteilt. Die Türkei erklärte ihr Eingreifen damit, dass ein eventueller Anschluß an Griechenland verhindert werden sollte. Danach wurden die im Norden lebenden rund 200.000 griechischen Zyprioten in den Süden vertrieben. Doch noch heute leben etwa 400 griechischstämmige Zyprioten im Nordteil als sogenannte „Eingeschlossene“. Ihre Kinder dürfen nur bis zum Alter von zwölf Jahren eine Grundschule besuchen oder müssen ihre Eltern verlassen, um im Südteil in Internaten weiter zu lernen. Deshalb entschließen sich immer wieder „eingeschlossene Familien“, doch ihre Häuser im Nordteil zu verlassen und in den Südteil zu ziehen. Der Staat bietet ihnen freien Wohnraum sowie verschiedene andere Zuwendungen.  

Im türkisch besetzten Teil der Insel, der 37 Prozent der Gesamtfläche ausmacht, leben nach Angaben der Pressestelle der zypriotischen Regierung rund 35.000 türkische Zyprioten. Aus ökonomischen und politischen Gründen sind etliche emigriert, während rund 80.000 anatolische Bauern dort angesiedelt worden sind. Hinzu kommen 40.000 türkische Soldaten. Darüber hinaus leben einige hundert türkische Zyprioten in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie in Limassol und Paphos. In zwei Dörfern im Südteil, in Potamia und Pyla, wird vorgelebt, wie das Leben in einer gemischt besiedelten Gemeinde aussehen könnte. Die türkischen und griechischen Zyprioten feiern hier die christlichen und moslemischen Feste gemeinsam. Die anderen Moscheen im griechischen Teil Zyperns werden heute von Auslandsmoslems genutzt, vor allem von Gastarbeitern aus dem Libanon, Syrien und Jordanien.    

Ungeklärt bleibt auch, ob bei einem wieder vereinten Zypern die Anatolier dann weiterhin auf der Insel unbegrenzte Aufenthaltsrechte haben werden. Nordzypern räumt ihnen Staatsbürgerschaft und Wahlrechte ein. Und wie sieht es mit dem kulturellen Erbe aus? Seit der Teilung werden historische und religiöse Stätten systematisch zerstört und entweiht. Mosaike, Fresken und Ikonen aus orthodoxen Kirchen der besetzten Gebiete tauchen im internationalen Kunsthandel auf. 55 Kirchen sind in Moscheen umgewandelt, 50 Kapellen und Klöster zu Lagern, Ställen, Kinos und Toiletten degradiert.    

Pastor Hemminger hat von der deutschen Botschaft eine Sondergenehmigung erhalten, und darf bis nachts um zwei Uhr im türkischen Teil Zypern bleiben. Hier betreut er ältere Gemeindeglieder, die irgendwann nach mehreren Urlauben in Nordzypern (das man nur vom türkischen Festland aus erreichen kann) zu Dauerbewohnern geworden sind. Der deutsche Geistliche trifft sich mit ihnen bei einem Gemeindestammtisch und hat gerade einen Pfingstabendgottesdienst in der St. Andrewkirche in Girne mit ihnen gehalten. Hemminger möchte in Nordzypern einen Ableger der deutschen Gemeinde bilden. „Wir müssen als Christen die politischen Trennungen und Spaltungen nicht mitmachen“, begründet er seinen Entschluß.  

Ilsemarie Straub-Klein 

Infos: Evangelische Kirchengemeinde deutscher Sprache auf Zypern, Pfarrer i.R. Hemminger, Isavelas Street 5B, CY 4044 Yermasoyia (Lemesos), Telefon und Fax 00357/25317092, email: Dieter.Hemminger@freenet.de

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