Mehrsprachige Kinder haben bessere Chancen

Im Kleinkindalter lernt man am besten/Keine Angst vor Kauderwelsch

Am Fleischwarentresen steht eine Spanierin mit ihrer achtjährigen Tochter Carolina. Die Mutter kommt mit ihren Einkäufen nicht ganz zurecht – alles läßt sich eben nicht durch Zeichensprache erklären. Deshalb fungiert das Kind als Dolmetscherin. „Ein halbes Kilo von dem Schinken und noch drei große – wie sagt man zu dem Fleisch? Ah danke, Schnitzel. Otra cosa, mama?“ Carolina lebt mit ihren Eltern in Spanien. Sie hat einen deutschen Vater, der mit ihr immer nur deutsch gesprochen hat. Nun verbringt sie wieder einmal ihre Ferien bei ihren Großeltern in Deutschland. Es bereitet dem Mädchen keine Schwierigkeiten, sich in beiden Sprachen zu verständigen. 

Auch John und David sind mehrsprachig aufgewachsen. Sie leben in Luxemburg; ihre Eltern stammen aus England und Frankreich. Diese haben mit den Kindern sowohl englisch als auch französisch gesprochen. Darüber hinaus lernten sie im Kindergarten noch letzeburgesch, die Sprache des kleinsten EU-Landes. Das sprechen die Jungen untereinander, wenn die Eltern sie nicht verstehen sollen. Und vom ersten Schuljahr an werden sie deutsch lernen. 

Je jünger die Kinder sind, desto einfacher ist es für sie, zu ihrer Muttersprache noch eine andere Sprache spielend hinzu zu lernen. Sie brauchen sich nicht mühsam mit Vokabeln und Verbkonjugationen herumzuplagen.  Deshalb ist es schade, wenn gemischtsprachige Eltern diese Chance vertun. Die Einwände mancher Skeptiker, die Kinder würden dann keine Sprache richtig lernen, ist längst widerlegt. Auch wenn Zweijährige noch „kauderwelschen“ – das gibt sich später. „Ich will meine biberon“, sagt die Kleine, versteht aber natürlich auch, wenn man von der Nuckelflasche spricht. Im täglichen Umgang entscheiden sich die Kinder ohnehin bald für eine Sprache, meistens die Sprache des Landes, in dem sie leben. Doch ebenso schnell können die zwei- oder gar dreisprachig aufgewachsenen Kinder „umschalten“ und mit einem Elternteil in dessen Muttersprache sprechen. 

Schon dem Säugling kann der andere Tonfall, mit dem der Vater spricht, vertraut werden. Die besten Lernerfolge werden erzielt, wenn man Kleinkindern Dinge in mehreren Sprachen benennt. Natürlich macht es mehr Mühe, wenn man zum Beispiel einmal französisch, dann deutsch und zum besseren Verständnis noch einmal französisch spricht. Aber es lohnt sich.

Wer selbst keine Möglichkeit hat, seine Kinder zweisprachig aufwachsen zu lassen, sollte  den Umgang mit ausländischen Kindern fördern und dafür sorgen, dass die Kinder etwas von deren Sprache lernen. Das ist nicht nur bei Auslandsaufenthalten förderlich, sondern regt          

auch die Denkfähigkeit an. An manchen Orten laufen Versuche, schon im Kindergarten spielend eine neue Sprache zu erlernen. Darüber hinaus gibt es viele Tonträger mit fremdsprachlichen Kinderliedern und Bilderbücher mit mehrsprachigen Unterzeilen. 

Gute Erfahrungen haben auch Grundschulen gemacht, dieab der dritten Klasse Arbeitsgemeinschaften für Englisch anbieten. Und immer mehr Volkshochschulen öffnen sich für Fremdsprachenunterricht für Kinder. Es ist einfach zu spät, erst im Alter von zehn Jahren mit dem Erlernen einer ersten Fremdsprache zu beginnen. Man denkt dann zu sehr in seiner Muttersprache und bringt es ohne einen längeren Auslandsaufenthalt nicht zu der Perfektion, die im Beruf und bei gehobener Konversation nötig ist. 

Die Welt rückt näher zusammen. Menschen aus verschiedenen Ländern gehen den Bund der Ehe ein. Die eigene Sprache nicht verleugnen und sie auch den Kindern weiter zu vermitteln, ist eine ungeheure Chance, die man nicht vertun sollte. 

Ilsemarie Straub-Klein

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