„Beten kann ich nur in meiner Heimatsprache“

Pastorenehepaar aus Solingen betreut die Deutschen in den Niederlanden 

Nur in Karikaturen scheinen sie immer noch Feinde zu sein: Deutsche und ihre niederländischen Nachbarn. Zwei Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg stellen die Deutschen mit 13,5 Prozent die zweitgrößte Gruppe der in den multikulturellen Niederlanden lebenden Ausländern – noch vor den Türken und gleich nach den Indonesiern. Die meisten kamen der Liebe wegen nach Holland – einige bereits vor dem Krieg. Obwohl sie fast alle fließend niederländisch sprechen, sind sie dennoch mit der deutschen Kultur und Sprache verwurzelt geblieben. Die deutschen evangelischen Gemeinden in Amsterdam und Rotterdam sind für sie ein Stück Heimat – und für die Neuankömmlinge erste Anlaufstelle in einem noch fremden Land. Die Muttersprache ist ein wichtiger Bestandteil des gelebten Glaubens. „Beten kann ich nur in meiner Heimatsprache,“ sagen die meisten.  

„Wir wollen uns in der Deutschen Evangelischen Gemeinde aber nicht abgrenzen gegen die einheimischen niederländischen Gemeinden,“ betonen die Amsterdamer Gemeindeglieder auf ihrer homepage. „Wir sehen uns vielmehr als einen Teil der vielsprachigen internationalen Familie Christi.“ Gemeinsam mit den niederländischen Gemeinden gehören zu dieser Ökumene in Amsterdam auch die zwei englischen und die französischsprachige Kirche Walloniens.  

Dass die deutschen Auslandsgemeinden Amsterdam und Rotterdam nur bedingt mit einer normalen Gemeinde vergleichbar ist, haben Bärbel (42) und Joachim Büssow (40) erfahren. Sie kamen mit einem Sechsjahresvertrag des Außenamtes der EKD in die Niederlande, um hier vor allem das Herzstück der Gemeinde, den Sonntagsgottesdienst zu halten.  

Zehn Jahre lang teilte sich das Pfarrerehepaar die Pfarrstelle in Solingen-Ohligs. „Wir wollten noch einmal etwas anderes machen,“ sagten sie sich dann und guckten gezielt auch im Ausland nach einer Aufgabe, die sie beide gemeinsam reizen könnte. Als die Stelle der seelsorgerlichen Betreuung der deutschen Christen in Amsterdam und im siebzig Kilometer entfernten Rotterdam frei wurde, bewarben sich Büssows dort und wurden herzlich aufgenommen. Schnell lernten sie die Grundbegriffe der niederländischen Sprache. „Denn Sprachkenntnisse öffnen Türen“, hat Büssow bei ökumenischen Begegnungen festgestellt. 

Vieles ist in den Niederlanden für das Pastorenehepaar anders und neu, als sie es bisher gewohnt waren. „Wir konnten sonst an einem Vormittag zu Fuß mehrere Besuche machen, oder in das um die Ecke gelegenen Krankenhaus gehen, um kranke Gemeindeglieder aufzusuchen,“ erklärt der deutsche Seelsorger. Doch das ist in einer Auslandsgemeinde nicht möglich. Die Gottesdienste werden sonntags abwechselnd in Rotterdam und Amsterdam gehalten, doch zahlreiche Gemeindeglieder wohnen nicht in diesen Städten und nehmen dafür lange Wege in Kauf. Nach den Gottesdiensten bleiben die meisten noch zum Kirchencafé beieinander, und dabei erfahren die Pastoren dann auch, was die Glieder der Gemeinden bewegt. 

Eine deutsche evangelische Kirche mit Turm sucht man in Amsterdam vergeblich. Die Gemeinde trifft sich in einem Gemeindezentrum unweit des Rijksmuseums - ein normales Haus, das äußerlich nicht als Kirche erkennbar ist. Hier, im Stadtteil Oud-Zuid von Amsterdam, steht der Gemeinde in der Viottastraat ein kleiner Kirchsaal und ein Versammlungsraum mit Küche zur Verfügung. Auch Büssows haben dort ihr Domizil. An den Sonntagen, an denen die Deutschen keinen Gottesdienst halten, wird das Zentrum von der niederländischen Commissie Groot-Zuid benutzt – doch jedermann ist willkommen. 

Alle sechs bis acht Wochen trifft sich ein Hauskreis im Pfarrhaus. Es wird über die verschiedensten religiösen, gesellschaftspolitischen Themen gesprochen. Auch über niederländische Probleme diskutieren die Teilnehmer heftig, besonders im Hinblick die jüngsten Konflikte zwischen Moslems und Christen. In beiden Gemeinden finden sich auch Sangesfreudige und Instrumentalisten regelmäßig zusammen, um Gottesdienste und Feste musikalisch mitzugestalten.       

Einmal im Monat, freitags vormittags, kommen im Frauenkreis meist ältere Frauen zusammen, die schon sehr lange in den Niederlanden leben, aber in der deutschen Tradition verwurzelt sind. Gesellschaftspolitische und religiöse Themen stehen im Mittelpunkt. Gemeinsam besuchen sie auch Ausstellungen. Mit Pastorin Bärbel Büssow behandelten sie gerade Werk und Leben von Paula Modersohn-Becker. Wie in vielen deutschen Gemeinden üblich, unterstützt auch in Amsterdam der Frauenkreis aktiv den jährlichen Weihnachtsbasar. Viele genießen dabei das deutsche Weihnachtsgebäck. 

Rund hundert Gemeindeglieder sind in Amsterdam eingetragen, in Rotterdam sind es 120. Sie unterstützen ihre Gemeinden mit Kirchenbeiträgen von jährlich durchschnittlich 175 Euro pro Person. Manche zahlen allerdings erst nach Aufforderung. Die eigentliche Gemeinde ist noch größer, denn auch die Angehörigen – anderer Konfession oder einer niederländischen, protestantischen Gemeinde zugehörig - nehmen an den Veranstaltungen der deutschen Gemeinde teil. Die meisten Mitglieder sind Frauen, die mit Niederländern verheiratet sind. Manche sind seit Kriegsende hier – damals hatten sie noch gegen starke Vorurteile zu kämpfen. Aber auch Beruf und Studium führt manche Deutsche in die beiden niederländischen Großstädte, und sie kommen dann manchmal auch zum Gottesdienst, selbst wenn sie daheim nicht viel „mit Kirche am Hut hatten“. Einige lassen hier ihre Kinder taufen. Nach den Sommerferien starten Büssows mit einem Konfirmandenblockkurs – ihre erste Konfirmation werden die Pastoren in den Niederlanden dann Pfingsten 2006 halten. 

Einige Kinder haben Büssows bereits näher kennen gelernt. Sie besuchen die Europäische Schule in Bergen. Und in der deutschen Sektion erteilen die Solinger Religionsunterricht, sowohl im Grundschulbereich wie auch in der Oberstufe.  

Deutsch gepredigt wird auch in einer Kirche in Den Haag. Und ein Team von deutschen Seelsorgern sorgt dafür, dass die deutschen Urlauber, die im Sommer an den Stränden der Nordseeküste und auf den holländischen Inseln Erholung suchen, auch Gottes Wort ich ihrer Muttersprache verkündet bekommen. Hilfe für Deutsche gibt es in Amsterdam und Rotterdam auch bei Deutschen Hilfsvereinen, Kulturelles beim seit 15 Jahren bestehenden Deutsch-Niederländischen Verein. Auch die Seeleute haben Anlaufstellen in Amsterdam und Rotterdam. In beiden Städten hilft ihnen die deutsche Seemannsmission mit Rat und Tat.

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