In der Kirchengemeinde ein Stück Heimat finden

Deutsche Gemeinde in Oslo sucht neue Wege der Finanzierung

Eine deutsche Kirche findet man Oslo vergeblich. Aber eine Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache in Oslo gibt es bereits seit 101 Jahren. Sie hat ihr Zuhause in einer Villa knapp zehn Gehminuten vom Königlichen Schloss entfernt. Und damit sie als solche zu erkennen ist, weht seit knapp zwei Jahren die Kirchenfahne mit dem lila Kreuz auf weißem Grund vor dem Haus. Diese hatte auch der Gemeindekirchenrat während der nationalsozialistischen Okkupation anstelle der geforderten Hakenkreuzfahne herausgehängt. Die Gemeinde machte damit deutlich, dass sie für ein anderes Deutschland stand.    

Fast 300 Jahre vor Gründung einer deutschen Gemeinde in Oslo wurden in Norwegen aber schon deutschsprachige Gottesdienste gehalten. Für die Versorgung der deutschen Arbeiter in der Münzpräge wurde zwischen 1646 und 1672 ein deutscher Pfarrer angestellt. Auch in der Herrnhuter Brüdergemeinde wurden bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1902 immer wieder deutschsprachige Gottesdienste gehalten. Erst 1908 wurde dann eine Deutsche Gemeinde gegründet. Der erste Pfarrer, Hermann Günther, blieb bis 1936 im Amt, bis er wegen der jüdischen Abstammung seiner Frau zum Rücktritt gezwungen wurde. Als sein Nachfolger 1946 wie alle nach Kriegsbeginn ins Land gekommenen Deutschen Norwegen verlassen musste, wurde Günther als Pfarramtsverweser wieder eingesetzt. Später machte sich der Ruheständler dann auch zu einer „Bettelreise“ für ein Gemeindehaus auf. Für das Haus spendete übrigens auch Konrad Adenauer 5000 Mark.   

Vor fünfzig Jahren konnte die Gemeinde dann das Haus an der Eilert Sundtsgate kaufen. Seitdem ist der große Gottesdienstsaal mit den drei modernen Kirchenfenstern – der Gekreuzigte als Zentrum in der Mitte – auch während der Woche für allen anderen Gruppen Treffpunkt. Im Haus wohnt der Pastor sowie zwei weitere Familien.

Von solch einem Gemeindezentrum können zwar viele Auslandsgemeinden nur träumen. Doch für die Deutschen in Norwegen ist dieses Haus auch zum Alptraum geworden. Die notwendigen Sanierungsarbeiten - vor allem das Dach – sind aus den Rücklagen nicht zu finanzieren. Pastor Friedbert Baur sucht deshalb mit seinem Gemeindekirchenratsmitglieder nach neuen Wegen, wie das Haus erhalten bleiben kann. Sie bieten zum Beispiel die Räume für Gruppen, Vereine und private Feiern zur Vermietung an. In diesen Tagen sind alle in Norwegen lebenden Deutschen angeschrieben worden, ihren automatisch abgezogenen Kirchensteuerbeitrag nicht der norwegischen Staatskirche, sondern der deutschen Gemeinde zukommen zu lassen. Die Deutsche Gemeinde hat knapp 600 Mitglieder; zehn Prozent kommen zum Gottesdienst. Der Mindestmitgliedsbeitrag (außer für Wenigverdiener) ist auf 1200 Kronen festgesetzt – das sind 152 Euro im Jahr.

Sollte sich das Haus aber nicht halten lassen, müsste es die Gemeinde verkaufen und am Stadtrand etwas preisgünstigeres suchen. Dann würden allerdings etliche Menschen, die nicht motorisiert sind, die Gottesdienste nicht besuchen können. Das einzige wären vielleicht bessere Parkmöglichkeiten als jetzt. Denn mehr als acht Fahrzeuge können zur Zeit sonntags nicht in der Nähe des Gemeindezentrums abgestellt werden.

Friedbert Baur (50) kam vor vier Jahren mit seiner Frau Claudia und den beiden damals acht und zehn Jahre alten Kindern in die norwegische Hauptstadt. Zuvor war er zehn Jahre Seelsorger einer Gemeinde auf der Schwäbischen Alb. Norwegen kannte er schon von einem Studienjahr. Als die Stelle dann vakant wurde, bewarb er sich auf diesen Posten. Von Anfang an hat er sich hier wohl gefühlt.

Vieles unterschiedet eine Auslandsgemeinde von einer traditionellen Gemeinde in Deutschland. Manches Gemeindeglied bleibt nur ein Jahr hier: Praktikanten, Studenten, Au-pairs. Einige Botschaftsangehörige, Lehrer und Repräsentanten deutscher Firmen haben Dreijahresverträge. Die Konstanten sind nur die deutschen Frauen, die mit Norwegern verheiratet sind. Eine von ihnen ist Brigitte Dahl, die den kleinen Chor der Gemeinde leitet. Sie hat es allerdings schwer gehabt, sich in Norwegen einzuleben. „1963 hatten die Norweger noch viele Vorurteile gegenüber Deutschen und ließen mich das auch spüren“, erinnert sie sich. Aber auch fünfzig Jahre nach Kriegsende sei das in einigen Köpfen noch nicht anders gewesen. Offizielle Vertreter der norwegischen Regierung seien damals dem Empfang in der deutschen Botschaft fern geblieben. Wenn heute zum Volkstrauertag ein Kranz auf dem deutschen Soldatenfriedhof nieder gelegt wird, kommen von norwegischer Seite ein paar ehemalige Kriegsgefangene, um zu beteuern, dass sie von den Deutschen gut behandelt worden seien.

Friedbert Baur setzt in der Gemeinde, beim Besuch Deutscher in norwegischen Gefängnissen (hauptsächlich wegen Verstoßes gegen die Drogengesetze) und beim Unterricht an der deutschen Schule auf Toleranz und gegenseitige Achtung. „Unsere Gemeinde ist Treffpunkt für Menschen ganz unterschiedlicher Nationalität, Konfession und Frömmigkeit,“ stellt sich die Deutsche Gemeinde im Internet vor. „Es zählt zu unseren Aufgaben, Menschen in Lebensfragen und Glaubensdingen in ihrer Muttersprache zu begleiten. Wir wollen gemeinsam als Volk Gottes unterwegs sein, Gemeinschaft erfahren und uns den Herausforderungen unserer Zeit stellen.“

Dazu macht die Gemeinde unterschiedliche Angebote. Friedbert Baur hält alle zwei Wochen Gottesdienste in Oslo - die Predigten kann man im Internet nachlesen. An anderen Wochenenden ist er in ganz Norwegen unterwegs, um dort Deutsche seelsorgerlich zu betreuen, zum Beispiel in Kristiansand, Stavanger, Bergen, Tromsflyke, Trondheim, Fredrikstad und Drammen. Es gibt aber auch einige deutsche Pastoren, die in Norwegen norwegische Gemeinde betreuen, wie zum Beispiel am Nidarosdom in Trondheim. Denn es gibt zu wenig einheimische evangelische Pastoren in Norwegen.

Deutsche finden in Norwegen übrigens auch Arbeit in den dortigen Mangelberufen Arzt und Krankenpfleger. Zunächst kommen sie auch mit Englisch sehr gut klar. Deutsch ist dagegen als zweite Fremdsprache weitgehend von Spanisch verdrängt worden. Bedingt durch den Arbeitskräftemangel finden selbst Einwanderer aus Asien, Südamerika und Afrika in Norwegen einen Job – und nicht wenige entschließen sich dann, Norweger zu werden. Dagegen verbringen zahlreiche norwegische Rentner die langen Wintermonate in Spanien – auch weil man dort für die Hälfte der Ausgaben leben kann. 

Im deutschen Gemeindezentrum treffen sich sowohl Jungsenioren und Senioren, die wöchentliche Eltern-Kinder-Gruppe als auch junge Menschen ab 18 Jahren. Es gibt einen Hauskreis und offene Gemeindeabende mit Bibellese. Manchmal bieten sich Gemeindeglieder für Aktionen an, wie zum Beispiel kürzlich für einen Kochkurs für orientalische Gerichte. Kinder werden am Kinderbibeltag mit biblischen Geschichten vertraut gemacht. Und erstmals soll es dieses Jahr auch eine fünftägige deutsche Sommerschule für Kinder geben, die sonst auf norwegische Schulen gehen. Aber darüber hinaus gestaltet Friedbert Baur natürlich auch „normales“ Leben einer Kirchengemeinde: seelsorgerliche Gespräche, gelegentlich Taufen, Trauungen, Konfirmationen und Bestattungen.    

Ilsemarie Straub-Klein

Info: Evangelische GemeindeDeutscher Sprache in Norwegen, EilertSundtsgate 37 N 0259 Oslo, Telefon 0047 2244 1643 Email: gemeinde@deutschegemeinde.net, Internet: www.deutschegemeinde.net

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