Siebenbürger Kirchenburgen warten auf Renovierung
Diasporakirche mit rund 14.300 Gemeindegliedern


Sie heißen Siebenbürger Sachsen, haben aber mit Sachsen nichts gemeinsam. Im 12. Jahrhundert trafen die ersten Siedler aus Flandern, Wallonien, dem Mittelrhein und Moselfranken im Gebiet Siebenbürgen ein. Sie wurden allgemein Saxonen genannt, was standesbezogen war und nicht auf ethnische Herkunft anspielte. Die Kolonisten errichteten insgesamt rund 200 Kirchenburgen. Einige sind inzwischen unwiederbringlich verfallen, aber mit Hilfe des EU-Projektes der Kirchenburgen-Leitstelle zur Sanierung von achtzehn Kirchenburgen ist es gelungen, wenigstens die bedeutendsten zu renovieren.

Pastorin Bettina Kenst (31) empfängt einige Seniorinnen in ihrer Gemeinde in Mediasch zum Bibelkreis. Sie spricht mit ihnen den moselfränkischen Dialekt, der dem Luxemburgischen ähnelt. Sie ist die jüngste Pastorin im Kirchenbezirk Mediasch, und außer ihr gibt es nur noch eine weitere Pastorin im ganzen Land. Studiert hat sie an der Universität in Hermannstadt – aber der Kommilitone, der mit ihr Examen machte, ist nach Deutschland ausgewandert. Auswandern ist ein Reizthema in Siebenbürgen. Im Jahre 1930 lebten noch 300.000 Deutschstämmige in Siebenbürgen. Dem Aufruf, nach Deutschland zu übersiedeln, folgten in den 70er Jahren viele Menschen aus den Bereichen Kronstadt, Hermannstadt und Klausenburg.

Doch erst nach der Wende kam der ganz große Einbruch: die evangelischen Kirchengemeinden verloren fast 85 Prozent ihrer Mitglieder. Heute leben noch etwa 14.300 hier. Einige Stadtgemeinden wachsen jedoch langsam wieder: durch Geburten,  Zuwanderungen und Eintritte von Rumänen. Dennoch ist die Volkskirche zu einer Diasporakirche geworden. Sie engagiert sich mit sozialen Einrichtungen und genießt dadurch in der rumänischen Gesellschaft einen ausgezeichneten Ruf.     

Bettina Kenst ist eine von vier Geistlichen in der 53.000 Einwohner zählenden Stadt Mediasch. Hier wohnen 830 deutschsprachige evangelische Gemeindeglieder. Hinzu kommen noch etwa 350 in den umliegenden Dörfern. Das sieht zunächst wie eine überproportionierte Besetzung aus. Doch die junge Pastorin schiebt gleich die Erklärung nach: „Unsere seelsorgerliche Versorgung erstreckt sich über 46 Dörfer. Und manche sind bis zu fünfzig Kilometer von Mediasch entfernt und nur auf nichtasphaltierten Straßen erreichbar.“ Da Muss  jeder Pfarrer an vielen Wochenenden zwei bis drei Gottesdienste  halten – oft auch erst am Nachmittag. „Wir versuchen, in jedem Dorf wenigstens einmal im Jahr präsent zu sein.“ Wenn in der maroden Kirche kein Gottesdienst mehr gehalten werden kann, dann feiern sie dort vielleicht das Bezirksgemeindefest. Da kommt dann große Freude bei den Bewohnern auf, dass sie von ihrer Kirche nicht vergessen worden sind. In so manchem Dorf leben nur noch ein bis fünf Siebenbürger Sachsen, fast alle älter als 60 Jahre.  

Manchmal kommen sogenannte Sommersachsen hierher, Männer und Frauen mit ihren Kindern und Enkeln, die zu der Gruppe der ausgewanderten 250.000 in Deutschland lebenden Siebenbürger gehören. Für diese, und andere interessierte Touristen, wurden leerstehende Pfarrhäuser in den Dörfern zu Ferienhäusern umgebaut. Man kann sie als Selbstversorger oder mit Verpflegung mieten. Die Benutzungspreise schwanken zwischen einer Spende und einem festen Unterkunftssatz. Dann werden die Dörfer wieder etwas belebt. Die mittlere Generation der Rumänen will nicht mehr in den Dörfern leben. Viele arbeiten in Spanien und Italien als Erdbeerpflücker und Spargelstecher, die Frauen in der Altenpflege. Die Kinder bleiben mit den Alten zurück, die die Felder mit Pferd und Wagen, wie bei uns vor fünfzig Jahren. Vieles liegt aber auch brach, weil die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind oder die Arbeitskräfte fehlen. Rumänien exportiert schon Kartoffeln aus Ungarn. Immerhin aber fließen durch die Gastarbeiter Gelder nach Rumänen, und die Häuser werden renoviert.  Es gibt oft immer noch kein Fließwasser in den Häusern; die Bewohner holen ihr Wasser aus den hauseigenen Brunnen.

In den Städten merkt man nichts davon. Das deutsche Gymnasium in Mediasch wird überwiegend von Schülern besucht, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Die Eltern möchten  ihren Kindern dadurch bessere Chancen geben. „Sie nehmen auch am evangelischen Religionsunterricht teil, obwohl ihre Eltern orthodox sind“, freut sich Kenst. Die deutsche evangelische Kirche hat sich darauf eingestellt: an einem Sonntag im Monat wird in Mediasch zweisprachig gepredigt. Und regelmäßig kommen auch die Familien mit zu Schulgottesdiensten. Einige der rumänischen Kinder möchten sich evangelisch in der deutschen Margarethenkirche konfirmierten lassen. „Kindergruppen der Gemeinde in Mediasch würde es ohne die rumänischen Kinder der deutschen Schule nicht geben, “ sagt die Pastorin.

Gemeindeglieder zahlen ein Prozent ihres Einkommens an „Kirchensteuer“, dazu gibt es aber Subventionen vom Staat, denn etliche Kirchen gehören zum Weltkulturerbe. In der Mediascher Margarethenkirche steht der größte Flügelaltar Rumäniens. Die Kirche wird auch als verlässlicher Partner auf sozialem Gebiet angesehen. In Mediasch unterhält sie zum Beispiel eine Sozialstation, ein Altenheim mit 30 Plätzen und eine Jugendwerkstatt. Jeden Tag werden rund hundert Portionen „Essen auf Rädern“ ausgefahren.   

Zahlreiche Gruppen oder Einzelpersonen weilen in Mediasch und nehmen engen Kontakt zur Kirchengemeinde auf. Erste Begegnungen gibt es dann in der Kirche, wo in den Ferien einheimische Jugendliche Führungen veranstalten. „Man lernt dabei viel über die Kirche, über ihre Geschichte und auch sich selbst kennen“, meint Paul Curcean über seine Zeit als Kirchenführer. Er durfte übrigens auch die Herzogin von Baden-Württemberg sowie die Gouverneure aus Spanien, Mexiko und Chile in der Margarethenkirche empfangen.

lsemarie Straub-Klein

Info: Stadtpfarramt Mediasch, Piata Castelului 2, RO551019 Medias (Rumänien), Telefon 0269-841962, Email: kastellmediasch@yahoo.de, Ansprechpartner ist Pfarrer Servatius-Depner, Ferienunterkünfte der Kirchengemeinden in Siebenbürgen kann man buchen unter kastell@logon.ro

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